Retz, ein Juwel im Weinviertel
Die kleine Stadt Retz liegt im Nordosten des Weinviertels, nahe zur Grenze zu Tschechien. Lange hat diese Region durch die Nähe zum mehr als 40 Jahre bestehenden "Eisernen Vorhang" gelitten. Diese Zeit ist zum Glück schon lange vorbei. Heute präsentiert sich Retz als Weinstadt mit langer und bewegter Geschichte. Das Stadtbild hat sich seit dem Mittelalter weitestgehend erhalten.
Ich war kürzlich wieder in Retz, das ich schon aus Kindertagen kannte, und habe einige Fotos mitgebracht!
Der Hauptplatz
- Aussicht vom Stadtturm
- Hauptplatz
- Hauptplatz
- Hauptplatz
- Verderberhaus, Hauptplatz
- Madonna mit Kind, am Haus Hauptplatz 17
- Hauptplatz
- Hauptplatz
- Hauptplatz
Studien zeigen, dass Stadtplätze in Niederösterreich meist im Verhältnis 2:5 gebaut wurden – also kurze zu langer Seite. Genau das trifft auch auf den wunderschönen Hauptplatz von Retz zu, der zu den größten Österreichs zählt. Überraschend ist aber, dass die Diagonalen über den Platz genau 100 Klafter lang sind. Und das ist ein ganz besonderes Maß: Ein Klafter entspricht der Spannweite ausgestreckter Arme – also etwa 1,77 bis 1,80 Meter
Das Rathaus von Retz – Vom Gotteshaus zum Zentrum der Stadt
Die Ursprünge des heutigen Rathauses liegen in einer frühgotischen Marienkapelle aus dem 13. Jahrhundert. Beim Umbau 1987/88 fand man ein zugemauertes Westportal, das aus der Gründungszeit um 1280 stammt.
Unter der Kapelle liegt ein tiefer Keller, vermutlich aus der gleichen Zeit. Die Kapelle hat im Laufe der Jahrhunderte viele Veränderungen erlebt. Besonders nach dem Angriff der Hussiten 1425 und dem Brand durch kaiserliche Truppen 1620 wurde sie umgebaut.
Im 16. Jahrhundert, zur Zeit der Reformation, verloren viele Menschen das Interesse an der Kapelle. Die Bürger übernahmen das Gebäude und bauten es um: Es entstand ein repräsentatives Rathaus mit Ratsaal im Obergeschoss und einer Zwischendecke. Seit 1569 dient es als Sitz der Stadtverwaltung.
Im 18. Jahrhundert erhielt das Rathaus barocke Ausschmückungen. Der junge Künstler Martin Johann Schmidt – später bekannt als Kremser Schmidt – malte das große Deckenfresko und Porträts der Habsburger Kaiser. Auch Maria Theresia und ihr Mann Franz I. wurden in Medaillons dargestellt.
Das Rathaus zeigt bis heute den Reichtum, den Retz durch den Weinhandel über Jahrhunderte erlangte. Es ist noch immer in Verwendung: für Trauungen, Sitzungen und in der Kapelle finden im Winter Gottesdienste statt.
Das Sgraffitohaus – Ein Bilderbuch in Stein
Das Eckhaus am Hauptplatz von Retz kam 1546 in den Besitz des Eisenhändlers Augustinus Resch. Es war bereits ein gut eingeführtes Bürgerhaus. Ob Resch selbst die Bemalung mit den Sgraffiti noch erlebte, ist unklar – vielleicht wurde sie erst unter seinem Schwiegersohn Albert Hofman ausgeführt.
Das Haus wurde mit einer besonderen Technik aus Italien verziert: Sgraffito – dabei werden mehrere Putzschichten aufgetragen und in die oberste Schicht Bilder eingeritzt. Die Darstellungen zeigen Szenen aus dem Alten Testament (Kremserstraße), der griechischen Mythologie (Hauptplatz) sowie symbolische Lebensbilder mit Tieren.
Nach der Schlacht am Weißen Berg (1620) wurde das Haus vermutlich stark beschädigt und stand lange leer. Erst im 20. Jahrhundert wurde es durch den Maler Ferdinand Heilmann restauriert. Davor waren die Wandbilder mehrfach übermalt worden – die letzten Reste verschwanden 1887. Nur dank alter Abschriften blieben viele der Motive bekannt.
Verderberhaus
Das Verderberhaus ist ein markanter Bau am Hauptplatz von Retz. Es umfasst die Hausnummern 2 und 34 und zeigt eine Fassade im venezianischen Renaissancestil. Die Zinnenbekrönung gleicht die unterschiedlichen Höhen der drei gotischen Vorgängerhäuser aus, die im 16. Jahrhundert zu einem Gebäude vereint wurden.
Seinen Namen erhielt das Haus im 19. Jahrhundert von den Brüdern Thomas, Georg, Josef und Johann Verderber – Kaufleute aus der Gottscheer Sprachinsel in Krain, dem heutigen Slowenien. Sie ließen sich zu Beginn des 19. Jahrhunderts in Retz nieder.
Die Retzer Windmühle – Technisches Denkmal und Wahrzeichen
Die Retzer Windmühle zählt zu den letzten wieder betriebsfähigen Windmühlen Österreichs – neben jener in Podersdorf. Einst gab es rund 400 solcher Mühlen im Land. Sie steht auf einer Anhöhe zwischen Retz und dem Manhartsberg, unweit von Kalvarienberg und Soldatenfriedhof.
Die Turmwindmühle wurde 1853 unter Müller Johann Bergmann erbaut – aus Steinen des Kalvarienbergs, gemauert vom Maurermeister Karl Cerny. Sie blieb bis 1924 in Betrieb. Danach übernahm die Stadt Retz die Erhaltung. 1928 wurde die Mühle unter Denkmalschutz gestellt, 1955 ein Mietvertrag zur Nutzung abgeschlossen. Seit etwa 1960 gibt es Führungen, seit 2010 ist sie wieder funktionstüchtig.
Heute ist die Mühle Technisches Denkmal, Schaumühle und beliebtes Ausflugsziel. Jährlich am 1. Mai findet ein Mühlenfest statt, im Sommer werden Führungen angeboten.
Sonstiges:Die Mühle diente als Kulisse in TV-Produktionen, u. a. Der Kurier der Kaiserin und Die drei Musketiere (1993). 1976 erschien eine Briefmarke mit ihrem Bild. Die Stadt vergibt den Windmühlenring als Auszeichnung für besondere Verdienste.
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Max und Moritz
Die Besichtigung der Mühle hat mich spontan an das (etwas makabre) Ende von Max und Moritz erinnert – die Geschichte kennt ihr sicher!
Weitere Infos
Zeitreise durch die Geschichte von Retz
11. Jahrhundert
- Eine erste Siedlung namens “Rezze” entsteht.
- Wichtige Handelswege kreuzen sich dort.
13. Jahrhundert
- Die Grafen von Hardegg erheben Maut.
- Eine Burg wird gebaut (heute Althof).
- 1276: Stadtgründung durch Graf Berthold von Rabenswalde.
- Mönche des Dominikanerordens kommen nach Retz, Kirche wird gebaut.
um 1280
- Die Marienkapelle wird gebaut.
- Stadtanlage mit großem Marktplatz entsteht.
1425
- Die Hussiten untergraben die Stadtmauer und dringen durch einen Weinkeller in die Stadt ein.
- Die Stadt wird fast völlig zerstört.
um 1458
- Retz erhält Handelsrechte für Salz, Getreide und Wein.
- Beginn des großen Weinhandels.
1490
- Das Neue Schloss wird gebaut.
- Die Stadt gehört nun den Habsburgern.
16. Jahrhundert
- Viele Bürger werden protestantisch.
- Gotische Gebäude werden im Renaissance-Stil umgebaut.
- Wohlstand durch Weinhandel wächst.
17.–18. Jahrhundert (Barockzeit)
- Nach dem Ende der Türkenkriege gab es einen Aufschwung.
- Die Stadtpfarrkirche wird barockisiert (von Jakob Prandtauer).
- In den Kirchen entstehen neue Kunstwerke (z. B. von Kremser Schmidt).
- 1744: Die Dreifaltigkeitssäule wird am Hauptplatz errichtet.
Kriege ab dem 15. Jahrhundert
- 1486: Ungarische Truppen erobern Retz.
- 1620: Retz wird im Dreißigjährigen Krieg beschossen.
- 1645: Schwedische Truppen besetzen Retz.
- 1809: Verwundete der Schlacht von Znaim kommen nach Retz.
- 1945: Am letzten Kriegstag wird die Stadt kampflos übergeben.
Eiserner Vorhang
Als „Eisernen Vorhang“ bezeichnete Winston Churchill (britischer Premierminister von 1940 bis 1945 sowie von 1951 bis 1955) 1945 die Trennung Europas in zwei Lager, die nach dem Zweiten Weltkrieg entstand. In seiner berühmten Fulton-Rede von 1946 machte er den Begriff weltweit bekannt. Gemeint ist die Teilung in einen demokratischen Westen und einen kommunistisch geprägten Osten. Der Ausdruck steht bis heute symbolisch für den Beginn des Kalten Kriegs und den sowjetischen Einfluss in Mittel- und Osteuropa.
Quellen: Webseite der Stadt Retz, Wikipedia