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In der Zeit der sogenannten Gründerzeit – also von der Mitte des 19. bis Anfang des 20. Jahrhunderts – war „Alt-Wien“ ein romantisch verklärter Begriff. Damit meinte man das barocke und biedermeierliche Wien. Wie oft in Zeiten des Umbruchs regte sich auch damals Widerstand. Manche Menschen lehnten den Umbau der Stadt und ihr schnelles Wachstum ab. Denn Wien veränderte sich stark: Die Bevölkerung wuchs, neue Viertel entstanden, Altes verschwand.

8., Neudeggergasse 14 - "Zum römischen Kaiser" - Portal, um 1900, August Stauda (1861—1928)

So entstand ein Bedarf an Bildern, die die vermeintlich "guten alten Zeiten" festhielten. Die Fotografie - zu dieser Zeit schon weit entwickelt - bot sich an. Sie ermöglichte es Dokumentarfotograf:innen – und ja, auch Frauen waren dabei – alte Häuser und Straßenzüge abzubilden, bevor sie abgerissen oder verändert wurden.

August Stauda, 1861 - 1928

Ein wichtiger Fotograf war August Stauda. Ab den 1880er-Jahren ging er systematisch durch die Vorstädte Wiens. Er fotografierte nicht nur Gebäude, Plätze und Straßen. Häufig sind auf seinen Fotos auch Menschen, die dort lebten und arbeiteten, abgebildet. Diese Mischung macht seine Bilder so lebendig. Sie zeigen mehr als nur Architektur – sie erzählen Geschichten vom Leben in Wien.

Als Stauda 1928 starb, verkaufte seine Witwe rund 3000 seiner Fotografien an das Historische Museum (heute Wien Museum). Viele dieser Bilder sind in hoher Auflösung über die Webseite des Museums frei zugänglich. Auch die Österreichische Nationalbibliothek bietet Fotos zum Gratis-Download an – allerdings nur in kleinerer Bildgröße.

Ich habe mich besonders mit Bildern aus meinem Wohnbezirk beschäftigt: der Josefstadt. Neben Fotografien habe ich auch Postkarten und Grafiken gesammelt. Die Fotos stammen nicht nur von August Stauda, sondern auch von anderen Fotografen.

Die Josefstadt – der 8. Bezirk – ist im Vergleich zu anderen Bezirken innerhalb des Gürtels relativ jung. Erst Ende des 17. Jahrhunderts entstand rund um das Rottenhof-Gut ein erster Siedlungskern. Dieses Gebiet war das erste im heutigen Bezirk, das in Parzellen aufgeteilt und bebaut wurde. Ab 1710 wurde dort das Palais Auersperg gebaut – als Nachfolger des Rottenhof-Guts. Bereits 1697 war das Piaristenkloster gegründet worden. Im Jahr 1700 kaufte die Stadt Wien das Gebiet. Es wurde nach Prinz und später Kaiser Josef I. benannt: Josefstadt.

Diese Karte zeigt den aktuellen Plan von Wien, überlagert mit der historischen Karte von 1858.

Öffnet den Kartenausschnitt auf wien.gv.at (Webseite der Stadt WIen)

Als erstes zeige ich beispielhaft einige alte Wien-Fotos. Zum Teil gibt es die abgebildeten Gebäude noch, wie das Militär-Geographische Institut. Andere Gebäude existieren nicht mehr. Sie gaben der Örtlichkeit aber ihren Namen, zum Beistpiel das Blindeninstitut der Blindengasse.

Weiters zu sehen: Ein Brunnen in der Albertgasse, er war ein Auslaufbrunnen der Albertinischen Wasserleitung. Diese Wasserleitung war die Vorläuferin der Hochquellwasserleitungen und wurde bereits Anfang der 19. Jahrhunderts gebaut. (Mehr über die Albertinische Wasserleitung)

Das Militär-Geographische Institut schaut heute noch genauso aus. Nach dem Ende der Monarchie beherbergte das Gebäude bis 1975 das Bundesamt für Eich- und Vermessungswesen. Heute befindet sich ein Teil des Wiener Magistrats dort.

Das Glacis

Das Glacis war ein freies Gelände vor den Stadtmauern Wiens. Nach der ersten Türkenbelagerung im Jahr 1529 wurden kleine Dörfer außerhalb der Mauern – die sogenannten Luken – nicht wieder aufgebaut. Es entstand eine freie Fläche, auf der nichts gebaut werden durfte. Auf diese Weise hatte man im Fall einer Belagerung freie Sicht auf die Angreifer und konnte die Stadt besser verteidigen.

In den folgenden Jahrhunderten wurde diese Fläche nach und nach erweitert. Spätestens mit den Napoleonischen Kriegen war klar: Stadtmauern und Glacis waren als militärischer Schutz veraltet. Neue Formen der Kriegsführung haben sie wertlos gemacht.

Mitte des 19. Jahrhunderts begann eine große Veränderung: Wien wurde modernisiert und erweitert. In dieser Zeit wuchs die Stadt stark. Die Vorstädte wurden eingemeindet. Die Stadtgrenzen, die dabei entstanden, entsprachen fast den heutigen.

John Murray, London, Public domain, via Wikimedia Commons

Das erste Foto zeigt den Blick auf die Josefstadt mit dem Glacis. Deutlich ist das Militär-Geographische Institut und die dahinterliegende Piaristenkirche zu sehen.

Josefstädter Straße

Die Josefstädter Straße ist die Hauptstraße des Bezirks. In einem Innenhof, der heute nicht mehr existiert, hatte Gustav Klimt einst sein Atelier.

Zwischen der Lange Gasse und der Piaristengasse steht das Theater in der Josefstadt. Es gehört zu den ältesten Bühnen Wiens. Wo früher das Café Josefstadt war, befindet sich heute eine BIPA-Filiale.

Im westlichen Teil des Bezirks, nahe dem Gürtel, lag früher eine große Kavallerie-Kaserne.

Mozart in der Josefstadt?

Einer Erzählung zufolge – vermutlich eine Urban Legend – soll Wolfgang Amadeus Mozart eine Zeit lang in einem Gartenpavillon in der Josefstädter Straße 47 gewohnt haben. Das kleine Haus wurde sogar als „Mozart-Zimmer“ bezeichnet.

Ich habe jedoch keine Belege gefunden, die diese Geschichte bestätigen. Auch im Wien-Geschichte Wiki, auf der Seite über Mozarts Wohnorte, wird dieser Pavillon nicht erwähnt.

Das Gebäude existiert noch. Ein Nutzer in einer Facebook-Gruppe mit alten Bildern aus der Josefstadt hat das mit einem Foto bestätigt.

Kirchen

Im Zentrum des Bezirks liegt die Piaristenkirche (Kirche Maria Treu, erbaut 1716 - 1721 nach den Plänen von J. L. von Hildebrandt). Auf der Alserstraße steht die Pfarrkirche zur kl. Dreifaltigkeit, am Hamerlingplatz die Breitenfelder Kirche.

Palais

Im Barock, nach der 2. Türkenbelagerung erlebte Wien einen Aufschwung. In dieser Zeit entstanden in der Josefstadt zahlreiche Palais - Sommerresidenzen des Adels. Die Palais Auersperg, Laudon, Strozzi, Trautson und Damian bestehen noch heute.

Theater

Zwei große Theater befanden sich einst in der Josefstadt: das Theater in der Josefstadt (1788 gegründet, ältestes Theater Wiens) und das Stadttheater. Das Stadttheater wurde 1960 geschlossen.

Die Lange Gasse

Die Lange Gasse quert den gesamten 8. Bezirk. Auf ihr bedindet sich das älteste Gebäude im Bezirk, die Alte Backstube auf Nummer 34.

Vorstadthäuser

Der Vorstadtcharakter, sprich dörfliche Strukturen, bestand in manchen Bereichen der Josefstadt noch bis Anfang des 20. Jahrhunderts. Die Wohnverhältnisse in diesen alten Gebäuden waren teilweise katastrophal.

Pawlatschen-Häuser

Viele Häuser hatten Pawlatschen. Das sind hofseitige offene (manchmal auch verglasten) Gänge, über die man in die einzelnen Wohnungen kommt. Einige dieser Häuser stehen im 8. Bezirk bis heute.

Alte Häuser (Vor-Gründerzeit)

Die Stadt wurde zwischen Mitte des 19. Jahrhunderts und dem Beginn des 1. Weltkriegs modernisiert. Leider riss man dabei auch schöne Barockgebäude ab, zum Glück aber nicht alle. Einige ältere Gebäude aus der Barockzeit und dem Josephinischen Zeitalter blieben erhalten. Im 1. und 8. Bezirk stehen einige dieser alten Bauten.

Gassen, Straßen und Plätze

Gassen und Plätze, teilweise schauen sie heute noch so aus, vielfach wurden die Gebäude durch neueren Bauten ersetzt.

Station Josefstädter Straße

Die alte Stadtbahnstadtion Josefstädter Straße, gebaut von Otto Wagner. Nach einer Renovierung vor wenigen Jahren erstrahlt das Gebäude - heute U6 Station - in neuem Glanz.

Glossar

Das militär-geographische Institut stellt die für die Armee nötigen Karten her.

Die zwei Wiener Hochquellwasserleitungen bringen Quellwasser aus Bergregionen in Niederösterreich und der Steiermark nach Wien.

Marianne Strobl, 1865 - 1917, war eine österreichische Fotografin. Sie war auf die Fotografie von Baustellen und Industrieanlagen spezialisiert.

Türkenbelagerung: Im 16. und 17. Jahrhundert versuchte die Armee des Osmanischen Reichs vergeblich, Wien einzunehmen. Das Osmanische Reich war ein islamisches Großreich, es bestand vom 13. bis zum 20. Jahrhundert.

Bildquellen: ÖNB Digital, WIEN MUSEUM Onlinesammlung
Quellen: Wikipedia über August Stauda, Wien-Museum Magazin über August Stauda, Wikipedia über "Alt-Wien"

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